Mittwoch, 30. Mai 2012

Die letzten 3 Tage habe gezeigt, dass meine Entscheidung absolut richtig war/ist.
Untergebracht bin ich in einem Gästezimmer, zudem steht mir zusätzlich noch eine Küche und ein Aufenthaltsraum zur Verfügung.
Hier der Blick aus den Fenstern
Im Hintergrund des Fotos sind die Budaer Berge zu erkennen. Sie trennen Budapest vom westlichen Umland, wo ich mich befinde. Bei Nacht ist der helle Schein Budapests über den Höhenzügen zu erkennen.

Neben kleineren Aufgaben im Büro, verbrachte ich die Tage mit Arbeiten auf dem Hof.
Auf einem Reiterhof gibt es IMMER etwas zu tun. Meist wird man von neugierigen Pferden oder Hunden dabei beäugt.
Mein aktuelles Projekt ist gewissermaßen die Herrichtung einer Kutsche. Da ich hier meinen bei Malerarbeiten aufkommenden Perfektionismus ausleben kann, an der frischen Luft bin und außerdem noch braun dabei werde, bin ich ziemlich zufrieden.
Anikó (die Chefin) ist begeistert von meiner deutschen Arbeitsweise, gerade weil manche der hier arbeitenden Ungarn doch etwas schwerfällig hinsichtlich Arbeit agieren.
Überraschenderweise hat einer der ungarischen Assistenten heute mehrere Löcher für neu zu pflanzende Bäume mit einem brachial anmutenden motorisierten Erdbohrer ausgehoben. Nicht schlecht.
So gingen die (Arbeits-)Tage vorrüber und ich lasse den Abend meist mit einem großen Teller Spaghetti und einer gut gekühlten Dose hervorragenden ungarischen Pilsner ("Dreher") ausklingen.

Zum Schluss noch etwas nicht alltägliches:
Bei meinem ersten Erkundungsgang durch Páty fiel mir folgendes Holzschild auf:
Ich fragte mich, wie germanische Runen hier wohl herkommen. Doch es handelt sich hier um ungarische Runen, die keinerlei Zusammenhang mit den Germanischen aufweisen und aus dem frühen Mittelalter stammen.
Wenn ich es recht übersetzt habe, müsste es sich um das Schild einer ungarisch-magyarischen Stiftung handeln, wahrscheinlich eine Art Traditonsverein.
Am Abend des vergangenen Samstag war es endlich soweit.
Gegen 21 Uhr enterte ich in Dresden Hbf den Nachtzug nach Budapest über Prag und Bratislava.
Die Nacht verbrachte ich mit 5 weiteren Reisenden in einem äußerst beengten 6 Personen-Abteil.
Zum ersten Mal reiste ich in einem Nachtzug, was auf mich einen schon immer abenteuerlichen Eindruck ausübte.
Leider war die Nacht im Zug nicht sonderlich erholsam, da mein Schlaf irgendwie zu empfindlich für solche Geschichten ist.
Gegen 8 Uhr in der Früh erreichte der Zug die Stadtgrenzen von Budapest.
Die Gleise führten an stillgelegten und verfallenen Industriekomplexen vorbei. Zweifelsohne Zeugen der gulaschkommunistischen Zeit Ungarns. Dazwischen immer wieder Werbung für US-amerikanische, deutsche und britische Freß- und Unterhaltungselektronikketten.
Wehmütig fragte bei diesem Anblick der alte Ungar aus meinem Abteil, wo denn die Ungarn stecken, wo die Ideen und Initiativen seiner Landsleute bleiben.
Etwas bedrückt verließ ich kurz vor Neun den Zug und machte mich auf die Suche nach einem Bus oder Taxi.
Hier sollte ich das erste Mal an der ungarischen Sprache scheitern. 
Ich begab mich also in eine Touristeninformation, um mich nach einem Bus in das Dorf, wo das Bellandor-Reitzentrum lag, erkundigte. Ich fragte auf Englisch nach dem Dorf "Páty". Die Dame am Schalter redete hingegen immer vom Weg in das Zentrum der Hauptstadt.
Leicht genervt verließ ich die Information und suchte mir ein Taxi. Wieder gab es Probleme. Ich gab dem Fahrer zu verstehen, er solle mich nach Páty bringen. Der Fahrer hatte keine Ahnung was ich wollte.
Eifrig winkte er seine Kollegen heran.
Geschwind entfaltete ich meine Ungarn-Karte und zeige ihm das Dorf auf eben dieser.

"Ahhh Paatsch" stieß einer aus der Runde aus. Ich hatte einfach nicht bedacht, dass die Aussprache im Ungarischen sich von der Unsrigen sehr unterscheidet.
Die Fahrt konnte also beginnen.
Nach etwa 30 Minuten erreichten wir einen Feldweg (auf dem Foto unten).
Meine Intuition sagte mir, hier sind wir richtig. Nur Mut.
Etwas verwirrt gab ich dem ebenso verwirrten Fahrer das Daumen hoch-Zeichen, zahlte und nahm meine beiden Rucksäcke aus dem Kofferraum.
"Du meine Güte, wo zum Teufel bin ich?"
Ich fragte mich schließlich durch und erreichte nach kurzen Fußmarsch mein Ziel.
Den Rest des Tages verbrachte ich mit essen und schlafen.



Freitag, 25. Mai 2012

Bevor mein eigentlicher Bericht/Blog über mein Praktikum in Ungarn beginnt, schreibe ich noch etwas zu der Vorbereitung und über das Land an sich.

Von der Zeit, als ich das erste Mal von der Möglichkeit eines finanziell gestützten Auslandspraktikum gehört habe, bis zum morgigen Tag, dem Abreisetag, sind etwa 8-9 Monate vergangen.
Nachdem zu Beginn einige Formalitäten zu klären waren, begann für mich im Winter die -zugegebenermaßen- schwierige Suche nach einem Praktikumspartner im EU-Ausland.
Meine ursprünglichen "Wunschländer" waren Spanien und die Niederlande. Spanien fiel dann heraus wegen meiner nicht vorhandenen Sprachkenntnisse und in den Niederlanden habe ich nicht wirklich was gefunden (was nicht heißt es gibt da keine potentiellen Praktikumspartner).
Also musste ich andere Länder mit einbeziehen in die Suche.
Im Anschluss habe ich mich meist an Universitäten und Institute (u.a. Goethe-Institut) in Skandinavien und Südeuropa gewandt.
Leider brachte dies aufgrund von fehlenden Praktikumsstellen, üngünstiger Zeiträume oder nur Teilzeitstellen keinen Erfolg.
Bis ich schließlich über das Osteuropa-Institut der FU Berlin auf meinen jetzigen Praktikumspartner -das Bellandor-Reitzentrum in Páty/Ungarn- gestoßen bin.

Ungarn - Ich bin vor mehr als 20 Jahren mal dort gewesen, vor ein paar Jahren mal mit dem Auto durchgefahren und ansonsten nutze ich gerne Paprika-Gewürz  zum Braten; sonst hatte ich mit Ungarn keinerlei Erfahrungen gemacht.
Nach dem ersten E-Mailverkehr mit meinem Praktikumspartner und Recherche über das Land, wurde mir aber schnell klar, dass ich mit meiner Wahl richtig liege(auch wenn ich noch nicht dort angekommen bin).

Ungarn wird hin und wieder noch dem Balkan zugeordnet, ist aber genau wie Deutschland geografisch Mitteleuropa zuzuordnen. Glaubt man diversen Quellen im Internet, legt der ein oder andere Ungar Wert darauf, dass sein Heimatland nicht dem Balkan zugerechnet wird. Was aber nicht das Produkt von Vorurteilen oder geringer Wertschätzung sein soll.
Lange bevor Deutschland wie wir es kennen oder überhaupt ein einheitlicher Deutscher Staat/Reich entstanden ist, gab es bereits Verflechtungen deutschsprachiger Staaten mit Ungarn.
So siedelten ab etwa 1700 (nach Ende der Türkenherrschaft über Ungarn) Siedler u.a. aus Bayern, Baden, Württemberg und auch Sachsen nach Ungarn über.
Diese Siedler wurden/werden als Donauschwaben (etwas weiter gefasster Begriff) bzw. Ungarndeutsche bezeichnet und bildeten bis zum 2.Weltkrieg eine bedeutende Minderheit in Ungarn.
Donauschwaben deshalb, weil diese von den Habsburgern angeworbenen deutschen Siedler (teils Schwaben) von Ulm auf der Donau nach Budapest geschifft wurden.
Später kämpfte Ungarn (als Doppelmonarchie mit Österreich verbunden) an der Seite des Deutsche Kaiserreiches im 1.Weltkrieg und nahm auch am 2.Weltkrieg  an der Seite der Achsenmächte teil.
Nach der Vetreibung und Deportation vieler Ungarndeutscher nach Ende des 2.Weltkrieges, dezimierte sich natürlich die Zahl der Ungarn mit deutschen Wurzeln.
Heute soll es eine selbstbewusste deutsche Minderheit in Ungarn wieder geben; in jüngster Zeit konnte sogar in zahlreichen Orten ein Trend zur ungarndeutschen Minderheiten-Selbstverwaltung beobachtet werden.
Ich denke, dass ich in Ungarn angekommen, mehr darüber erfahre und natürlich berichten werde.

Abschließend noch ein ungarisches Sprichwort:
Hívatlan vendégnek ajtó megett helye. (Der Platz eines ungeladenen Gastes ist hinter der Tür.)